Handelsblatt.com 2013-04-05 08:09:45
Baufinanzierung
Wie Häuslebauer die Mini-Zinsen reservieren
Noch nie war Baugeld so günstig wie jetzt.Das weckt Begehrlichkeiten.Wie sich Immobilienbesitzer, deren Darlehen erst in Jahren auslaufen, die günstigen Sätze sichern können – und ihr Objekt in kurzer Zeit abbezahlen.
In Zeiten der Finanzkrise erhalten manche Börsenweisheiten eine ganz neue Bedeutung. So lässt sich etwa Nathan Rothschilds wohlmeinender Rat “Kaufen Sie, wenn die Kanonen donnern, und verkaufen Sie beim Klang der Trompeten” heutzutage aus der Welt der Aktienkäufer in die private Baufinanzierung übertragen.
Denn in Zeiten der Zypern-Krise, des Regierungschaos in Italien und einer sich ankündigenden hartnäckigen Rezession in Europa sind die Zinsen für Immobilienkredite so günstig wie nie zuvor. In den vergangenen fünf Jahren fielen die Sätze für Darlehen mit zehnjähriger Zinsbindung von durchschnittlich 5,4 Prozent auf aktuell gut 2,5 Prozent. Allein in den vergangenen zwei Wochen sanken die Sätze im Zuge der Verschärfung der Euro-Krise um 0,2 Prozentpunkte.
Grund für die Rabattmentalität beim Baugeld ist vor allem der Run der Anleger auf deutsche Bundesanleihen. Die Staatspapiere gelten in Krisenzeiten als sicherer Hafen für Anlegergelder.
Der Effekt funktioniert so: Die höhere Nachfrage nach Staatsanleihen sorgt für steigende Kurse. Im Gegenzug sinken die Zinsrenditen, aktuell sind sie so niedrig wie seit August 2012 nicht mehr, zehnjährige Papiere rentieren nur mit 1,25 Prozent. Banken können dieses niedrigere Zinsniveau nutzen, weil sie Pfandbriefe zu günstigeren Sätzen an den Markt bringen können. Viele Banken refinanzieren so ihre Darlehen für die privaten Häuslebauer.
Auch Immobilienbesitzer, deren Darlehen erst in einigen Jahren ausläuft, können sich die niedrigen Zinsen sichern. Dazu lassen können sie Forward-Darlehen abschließen, die aktuelle Konditionen gegen einen Aufschlag bis zu 66 Monate reservieren. “Wir sehen, dass Forward-Darlehen bei dem jetzigen Zinsniveau verstärkt nachgefragt werden”, so Eva Grunwald, Leiterin Baufinanzierung bei der Deutschen Bank.
Vergleich: Die besten Forward-Darlehen
Im Schnitt kostet ein Forward-Darlehen, das in zwei Jahren fällig wird, aktuell einen Aufschlag in Höhe von 0,5 Prozentpunkten. “Das ist sogar günstiger als noch vor zwei Jahren”, sagt Max Herbst, Inhaber der FMH-Finanzberatung, “damals lagen die Zinsen aber noch bei mehr als vier Prozent”.
Besonders spannend sind Volltilger-Forwards, die den Zinssatz so lange festschreiben, bis der Inhaber schuldenfrei ist. Ein Vergleich der FMH-Finanzberatung für Handelsblatt Online zeigt, welche Forward-Darlehen für eine Vorlaufzeit von 12, 24, 36 Monate und einer Zinsbindung von bis zu 20 Jahren besonders günstig sind.
Das Ergebnis überrascht: Während bei Zinsbindungen von zwanzig Jahren die Kreditvermittler vorne liegen, sollten Kunden, die ihren Kredit zügig tilgen möchten, zuerst einmal bei der örtlichen Bank anfragen. Bei Zinsbindungen von zehn bis fünfzehn Jahren liegen durchweg PSD-Banken im Zinsvergleich vorne. Die 1871 gegründeten Post-Spar- und Darlehnsvereine sind die ältesten Direktbanken Deutschlands und gehören dem genossenschaftlichen Bankenverband an.
Was Immobilienbesitzer wissen sollten: Forward-Darlehen sind aktuell eher etwas für sicherheitsbewusste Kunden. “Die Voraussetzungen für ein weiterhin niedriges Zinsniveau sind gut”, sagt Grunwald von der Deutschen Bank. “Auch für die nächsten zwei bis drei Jahre gehen wir eher von einem flachen, maximal moderat steigenden Verlauf der Zinsentwicklung aus, auch wenn hier eine Prognose aktuell schwierig ist.”
Andere Marktteilnehmer sehen die Zinssituation aktuell ähnlich. So prognostizieren auch die Vermittler Dr. Klein und Interhyp den Konditionen für Baugeld einen Seitwärtstrend. “Es gibt aktuell keinen Grund die Anschlussfinanzierung überhastet anzugehen”, sagt Herbst. Wer Komfort und Sicherheit schätzt, kann gut überlegt jetzt abschließen. Wer weiter auf niedrige Zinsen setzt und die Konditionen im Blick hat, kann noch etwas warten.
Denn Immobilienbesitzer sollten wissen, dass sie ihr Darlehen in der Regel auch abnehmen müssen. Die Spekulation von Kreditnehmern, die in den vergangenen Jahren ein Forward-Darlehen abgeschlossen haben, ging nicht auf. Die Kunden zahlten nicht nur hohe Aufschläge sondern mussten auch zusehen, wie die Zinsen immer weiter sanken. Wer vor zwei Jahren ein Forward-Darlehen in Höhe von 100.000 Euro mit einer Zinsbindung von zehn Jahren abgeschlossen hat, machte einen Verlust von rund 22.000 Euro.
Hagen, Jens
05. April 2013