WirtschaftsWoche NR. 029 vom 16.07.2012 Seite 080
In die Tat umsetzen
BAUGELD | Unglaublich niedrige Zinsen, dazu variable Tilgungsmöglichkeiten – wer aktuell eine Immobilie erwirbt, sie neu- oder anschlussfinanziert, kommt sich fast vor wie im Schlaraffenland.Welche Darlehen sich rechnen, was neue Angebote der Banken taugen, wie sich Käufer die optimale Finanzierung zusammenstellen.
Ralf Richter ärgert sich zurzeit im Monatsrhythmus. An jedem 30. bucht seine Bank die Rate für sein Hypothekendarlehen ab. Viel zu teuer habe er das eingekauft, findet Richter im Rückblick. 2002 erwarb er mit seiner Familie ein Haus im Rheinland für 350 000 Euro; 200 000 nahmen die Richters damals bei der Bank auf und banden sich zehn Jahre an einen festen Zinssatz von 6,2 Prozent. Das war damals nicht teuer. Aus heutiger Sicht schon. “Damals hielt man die Zinsen doch schon für niedrig”, sagt Richter. “Verglichen mit dem, was unsere Eltern in den Siebzigerjahren noch für Baugeld bezahlten, waren sie das ja auch. Niemand aber konnte doch ahnen, dass es einmal noch viel günstigeres Baugeld geben würde.”
ABWARTEN HÄTTE SICH GELOHNT.
Was Richter ärgert, ist der Umstand, dass er sich vor drei Jahren zur vorzeitigen Umschuldung überreden ließ: Die Zinsen waren 2009 gegenüber 2002 um rund 1,2 Prozentpunkte gefallen, Richters steckten aber noch drei Jahre in der alten Zinsbindung fest. Also kauften sie sich für einen Aufschlag von 0,6 Prozentpunkten auf den damals gängigen Zins in eine Vorfinanzierung (Forward-Kredit) ein: Schon 36 Monate bevor sie das Geld brauchte, sicherte Familie Richter sich so einen fixen Zins von 5,66 Prozent für eine Laufzeit von 15 Jahren. Das war zwar um einiges günstiger als der alte Zins für das erste Darlehen, aber trotzdem dumm: Denn hätten Richters einfach bis zum Ende des auf zehn Jahre laufenden Altvertrages gewartet, hätten sie sich für nur 3,6 Prozent das benötigte Geld für die Anschlussfinanzierung leihen und 3500 Euro pro Jahr sparen können.
Das Beispiel zeigt: Baufinanzierung ist auch Glückssache.
Dennoch spricht vieles dafür, sich gerade jetzt das Geld für eine Immobilienfinanzierung zu sichern. Kaufinteressenten sollten dabei nicht in Hektik verfallen: Einfach irgendein Objekt zu erwerben, ohne Lage und Substanz, ohne die vorhandenen Rücklagen oder die regionalen Perspektiven zu prüfen macht keinen Sinn, egal, wie niedrig der Darlehenszins auch sein mag. Doch wer ohnehin einen Kauf plant, sollte sich baldmöglichst um die Finanzierung kümmern. Noch nie waren die Baudarlehen so günstig zu haben wie zurzeit: Die Zinsen für eine Hypothek mit zehn Jahren Bindung bei Einsatz von 70 Prozent Fremdkapital sind im Durchschnitt auf 2,78 Prozent gefallen (siehe Tabellen Seite 82). Noch vor fünf Jahren bezahlten Immobilienkäufer für Baugeld durchschnittlich 5,3 Prozent.
Zu verdanken sind die niedrigen Hypothekenzinsen der Euro-Krisen-Angst: Die Bauzinsen in Deutschland richten sich im Wesentlichen nach der Rendite von deutschen Pfandbriefen und lang laufenden Bundespapieren. Weil die großen Kapitalsammler wie Pensionskassen genau diese Anlagen derzeit noch als relativ ausfallsicher betrachten, kaufen sie diese vermehrt und drücken so deren Rendite. Solange dieser Trend anhält, bleiben die Hypothekenzinsen hierzulande niedrig.
EURO-BONDS GLEICH ZINSANSTIEG.
“Viele unserer Kunden verfahren derzeit nach dem Motto: Heute sind die Zinsen jedenfalls nicht teuer, und wo sie morgen sind, weiß eh niemand”, beobachtet Manfred Wiechern vom Immobilienfinanzierer Bertling & Wiechern in Hamburg, der seit 30 Jahren Privatleute und professionelle Bauträger bei der Finanzierung berät. Eine konkrete Zinsprognose mag er zwar nicht abgeben, da angesichts der unwägbaren Schuldenkrise die zukünftige Zinsentwicklung “zu sehr in der Hand der Politik liegt”. Sollten die EU-Länder etwa gemeinsame Euro-Bonds einführen, würden die Bauzinsen “gerade in Deutschland ganz erheblich steigen”, fürchtet Wiechern.
Ob solcher berechtigter Sorgen sind vor allem fixe Zinsbindungen über möglichst lange Zeiträume derzeit gefragt. “Wer kann, sichert sich für 15 oder gleich 20 Jahre eine feste Zinsbindung”, sagt Stephan Gawarecki, Vorstandssprecher beim Kreditvermittler Dr. Klein. Das kostet zwar aktuell etwas mehr als ein kurz laufendes Darlehen mit variablem Zinssatz (siehe Tabelle Seite 82 unten), gibt aber eine sicherere Kalkulationsbasis.
Sich über Jahrzehnte von den Häuslebauern an einen festen Zins binden zu lassen, das ließen sich die Geldhäuser in der Vergangenheit recht teuer bezahlen. Schließlich trägt die Bank über die eigenen Refinanzierungskosten dann das Zinsrisiko während der Kreditlaufzeit, nicht mehr der Bauherr. “In den vergangenen Monaten sind aber die Zinsunterschiede zu den kurzen Laufzeiten ziemlich zusammengeschrumpft, sodass die Kosten für das Mehr an Kalkulierbarkeit sich für die Kreditnehmer in Grenzen halten”, sagt Oliver Wilhelm, Baufinanzierungsberater bei Dr. Klein in Düsseldorf. So kosten 300 000 Euro bei einem Fremdkapitalanteil von 70 Prozent derzeit rund 2,6 Prozent Zins, wenn die Zinsen bis 2022 festgeschrieben werden. Bei 15 Jahren Zinsbindung kostet derselbe Kredit knapp drei Prozent und bei 20 Jahren rund 3,3 Prozent pro Jahr. Noch vor wenigen Jahren waren die Aufschläge für lange Laufzeiten erheblich höher.
Vor allem Versicherungen drängen in das Geschäft mit den lange laufenden Hypo-Krediten. Sie bieten häufig attraktive Zinsen bei Laufzeiten von 15, 20 Jahren oder mehr. Da sie selbst über lange Jahre gut kalkulierbare Zinseinnahmen benötigen, kommen ihnen Häuslebauer, die sich langfristig binden wollen, mit ihren Kreditzinsen gerade recht. Und einen Vorteil haben zum Beispiel 15-jährige Darlehen trotz des höheren Zinses auch für den Nehmer: Die Kredite können nach gut zehn Jahren ohne Malus gekündigt werden. Die gefürchtete Vorfälligkeitsentschädigung, die Banken sich als Abfindung bei vorzeitiger Kündigung eigentlich teuer bezahlen lassen, entfällt dann.
Viele Hausbesitzer wollen sich schon jetzt einen günstigen Zinssatz sichern, obwohl das Ende der aktuellen Finanzierung noch Jahre entfernt liegt. Für diesen Fall bieten viele Banken sogenannte Forward-Darlehen an, wie Ralf Richter vor drei Jahren eines in Anspruch nahm. Dabei nimmt der Kunde einen Aufschlag auf den Zins in Kauf, den er bei sonst gleichen Bedingungen bezahlen müsste, wenn er schon heute finanzieren könnte (siehe mittlere Tabelle links). Dieser Aufschlag ist umso höher, je länger die Bank das Forward-Darlehen bereitstellen muss. “Allzu weit sollte deshalb die anstehende Anschlussfinanzierung nicht mehr weg sein”, sagt Finanzierungsberater Wilhelm.
Lukrativ sind Angebote, die maximal in 36 Monaten bis zum Auslauf der aktuellen Zinsbindung beginnen. Bei den günstigsten Banken liegt der Aufschlag für eine Bereitstellung des Kredits in zwölf Monaten derzeit bei nur 0,05 Prozentpunkten. Das bedeutet: Eine Anschlussfinanzierung über 100 000 Euro per Forward verteuert sich gegenüber heutigen Konditionen nur um 50 Euro pro Jahr. Teurer wird es bei einer Reservierung 24 Monate im Voraus (plus 0,42 Prozentpunkte) und für drei Jahre (0,65 Prozentpunkte).
Neben der nominalen Höhe der Kreditzinsen und dem Kaufpreis bestimmt die Höhe der Tilgungsrate, wie teuer das kreditfinanzierte Häuschen letztlich wird. Vereinfacht gesagt: Wer langsam tilgt, zahlt wesentlich mehr für die eigenen vier Wände als ein fleißiger Rückzahler, weil er über die Jahre erheblich mehr Zinsen berappen muss. So bezahlt ein Bauherr für ein 300 000 Euro teures Haus, das zu 80 Prozent kreditfinanziert wird, bei einem Prozent jährlicher Tilgung rund 140 000 Euro an Zinsen allein in den ersten 20 Jahren; er hat zudem 2032 noch eine Restschuld von 170 000 Euro, die er neu finanzieren muss. Selbst wenn die Bauzinsen in 20 Jahren noch so günstig sein sollten wie heute, kosteten ihn die eigenen vier Wände insgesamt mehr als 510 000 Euro. Schafft er es jedoch, jährlich drei Prozent zu tilgen, belaufen sich die Zinskosten in den ersten 20 Jahren nur auf 92 000 Euro – das Häuschen ist schon nach 22 Jahren und fünf Monaten komplett abbezahlt. Am Ende hat der fleißige Tilger rund 100 000 Euro wenigerfür dasselbe Objekt aufgewendet.
Und Sondertilgungsrechte, bei denen außerhalb der regelmäßigen (meist monatlichen) Tilgung ein oder zwei Mal jährlich weiteres Geld zurückbezahlt werden kann, sind “fast immer sinnvoll, auch wenn sie erfahrungsgemäß die meisten Leute nicht nutzen, weil im Zweifel das neue Bad lockt oder die bessere Einbauküche, statt die 5000 gesparten Euro in die Sondertilgung zu stecken”, sagt Berater Wilhelm.
Gerade zu Beginn der Rückzahlphase sind Sondertilgungen in Darlehen mit gleichbleibenden Raten (Annuität) aber wahre Kostenkiller: Die monatliche Rate setzt sich zusammen aus der anfänglichen Tilgungsrate (zum Beispiel 1,5 Prozent des Gesamtdarlehens, bei 300 000 Euro wären dies anfangs 370 Euro im Monat) und den monatlich fälligen Zinsen (hier: anfangs 830 Euro). Während der Vertragslaufzeit hat der Schuldner peu à peu getilgt, die monatliche Rate aber ist immer noch gleich hoch. Dadurch steigt der Anteil der Tilgung an der Rate nach 20 Jahren auf 720 Euro, jener der Zinsen sinkt im Gegenzug auf 480 Euro. Wer nicht vermietet und deshalb keine Zinsen von der Steuer absetzen kann, spart auf jeden Fall, wenn er Sondertilgungen leistet, da diese sofort die Darlehenssumme verringern und dadurch wiederum die Zinslast. Dieser Effekt ist naturgemäß am Anfang der Laufzeit größer als gegen Ende, wenn der Anteil der Zinsen ohnehin schon gering wäre.
FLEXIBEL TILGEN.
Auch Darlehensverträge, bei denen die Tilgungsrate mehrmals während der Zinsbindung kostenlos nach oben oder unten angepasst werden kann, sind “gerade für Selbstnutzer auf jeden Fall einen zweiten Blick wert”, sagt Thomas Teske, unabhängiger Baufinanzierungsexperte aus Düsseldorf. So bietet die ING-DiBa Hypothekenkredite an, bei denen die jährliche Tilgungsrate zwei Mal während der Laufzeit zwischen 1,0 und 10,0 Prozent verändert werden kann. Jede weitere Änderung kostet dann eine, allerdings geringe, Bearbeitungsgebühr. Andere Banken haben mit ähnlichen Angeboten nachgezogen.
Die häufigsten Gründe für gescheiterte Immobilienfinanzierungen mit monatlichen Raten, die an die Grenze des Finanzierbaren gehen, sind Scheidung und Krankheiten. “Ich rate meinen Kunden, Baukredite wenn möglich auf zwei Schultern zu verteilen. Wird ein Partner arbeitslos oder fällt ein Zahler durch Trennung weg, kann ich die Tilgungsrate zur Not auf ein Prozent reduzieren”, rechnet Teske vor. “Bei einem durchschnittlichen Vertrag läge die monatliche Belastung dann auf jeden Fall unter der Miete für ein vergleichbares Objekt. Verdiene ich aber ein, zwei Jahre sehr gut, kann ich die Rate auch hochsetzen, schneller tilgen und so die Gesamtzinsen senken”, sagt der Experte.
Die allgemeinen Lebensrisiken wie Tod eines Partners, schwere Krankheit, Scheidung oder Arbeitslosigkeit können auch über Restschuldversicherungen abgedeckt werden. Die Deutsche Bank bietet solche Versicherungen über ihren Partner Zurich an. Dabei schließt der Kreditnehmer eine Versicherung gegen Tod, Krankheit, Berufsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit während der Kreditlaufzeit ab. Im Todesfall tilgt die Versicherung die ausstehende Restschuld; bei Krankheit oder Arbeitslosigkeit übernimmt sie während der Dauer solcher Unbill die fälligen Raten. “Restschuldversicherungen sind aber in der Regel deutlich teurer als ein flexibler Darlehensvertrag”, sagt Teske. Der Todesfall eines Partners lässt sich ohnehin günstiger absichern: über eine klassische Risikolebensversicherung, die schon für ein paar Euro im Monat zu haben ist.
Im Kampf um den Kunden lassen sich mehr und mehr Banken aber inzwischen neue Wahlmöglichkeiten einfallen. Die PSD Rhein Ruhr etwa bietet an, im Falle “besonderer Ereignisse” wie vorzeitiger Verkauf der Immobilie, Scheidung von Eheleuten oder dem Tod eines Miteigentümers, den Kredit vorzeitig zurückzuzahlen. Die Regelung gilt vom dritten Jahr an, gerechnet nach der Auszahlung des Kredits. Kostenfrei ist die Wahlmöglichkeit natürlich nicht. Wer eine Immobilie inklusive Nebenerwerbs- und Renovierungskosten für 350 000 Euro kauft und 120 000 Euro Eigenkapital mitbringt, zahlt bei zweiprozentiger anfänglicher Tilgung bei einem Zehnjahres-Darlehen 3,08 Prozent Effektivzins. Käufer, die auf die Wahlmöglichkeit der vorzeitigen Tilgung bei Scheidung oder Verkauf verzichten, zahlen dagegen nur 2,77 Prozent an Effektivzins. Diese 0,31 Prozentpunkte Differenz machen im ersten Jahr eine Ersparnis von rund 700 Euro aus, die über die Folgejahre sinkt.
Für denjenigen, der sich absichern will, wäre das teurere Darlehen jedoch eine gute Wahl. Schließlich schlagen Vorfälligkeitsentschädigungen besonders in den ersten Jahren erheblich heftiger ins Kontor als der teurere Zins für die vorzeitige Rückzahlungschance.
VERMIETER: GENAU RECHNEN.
Weniger Angst etwa vor Arbeitslosigkeit haben die Kapitalanleger unter den Immobilienkäufern. Sie können mit festen monatlichen Mieteinnahmen kalkulieren, die die Hypothekenrate ganz oder teilweise gegenfinanzieren, im besten Falle womöglich übersteigen. Gerade Kapitalanleger sind zurzeit vermehrt auf der Suche nach Immobilien, sie versprechen sich vom sogenannten “Betongold” Wertstabilität in unruhigen Zeiten. Doch eine Immobilie ist nicht zwingend eine sichere Wertanlage. Wer zum Beispiel eine vermietete Wohnung erwirbt, muss eigentlich über Jahrzehnte hinweg Mieterhöhungen, die Kosten für Instandhaltung und die Höhe des Hausgeldes, die in der Regel alle zwei oder drei Jahre von der Eigentümerversammlung festgelegt werden, gleich miteinkalkulieren. Das ist jedoch praktisch unmöglich.
Wie schnell auch die politische Wetterlage schöne Rechnungen zunichtemachen kann, wissen viele Vermieter, die wegen der Energieeinsparverordnung plötzlich deutlich höhere Kosten für die Wärmedämmung veranschlagen müssen als ursprünglich geplant und die diese bestenfalls zu einem kleinen Teil auf die Mieter umlegen dürfen. Auch kann der Gesetzgeber jederzeit Mietpreisspielräume deckeln oder die steuerliche Absetzbarkeit von Zinsen oder Instandhaltungskosten ändern. Fix ist nur die Rate, die der Immobilienkäufer monatlich an seine Bank für den Hypothekenkredit überweist, wenn er sich für ein Darlehen mit fester Rate entschieden hat, was üblich ist.
Angenommen, sich erhöhende laufende Kosten für Instandhaltung und Rücklagen, die der Vermieter nicht auf den Mieter überwälzen kann, würden über höhere Mieteinnahmen ausgeglichen und die steuerliche Absetzbarkeit von Zinsen und den Anschaffungskosten bliebe in den nächsten Jahren auf dem gleichen Niveau wie heute, ist am Ende durchaus eine positive Rendite zu erzielen. Voraussetzung zusätzlich: Die Immobilienpreise legen in den nächsten Jahren weiter zu. Aber Vorsicht: Dafür gibt es an keinem Standort und für kein Objekt eine Garantie.
Am Beispiel einer Mietwohnung, die in Saarlouis zum Verkauf steht, können Immobilieninteressierte exemplarisch ausrechnen, was eine Investition in ein Mietobjekt unter dem Strich an Rendite bringen kann. Da sich die Schuldzinsen für ein Darlehen steuerlich absetzen lassen, finanziert der Investor sein Objekt, das inklusive Nebenkosten 60 500 Euro kostet, nur zu 5500 Euro mit Eigenkapital und wählt zudem eine niedrige Tilgung von einem Prozent (siehe Berechnung links). Im ersten Jahr buttert er 728 Euro zu (später etwas weniger), die er, um sich nicht reich zu rechnen, mit dem derzeit erzielbaren Anlagezins über 20 Jahre (der Laufzeit des Darlehens) von 3,5 Prozent aufzinsen muss.
Ehrlich gerechnet laufen auf seinem Konto nach 20 Jahren zunächst rund 20 000 Euro an Verlust auf. Auch das Darlehen ist nach 20 Jahren noch lange nicht abbezahlt: Mit 36 860 Euro steht der Investor am Ende der Laufzeit noch im Soll. Insgesamt also bleiben noch fast 57 000 Euro an Last, die es abzutragen gilt, bevor die Investition ins Plus dreht. Sollte die Immobilie 2032 noch genau so viel wert sein wie heute, würde der Anleger Verluste von knapp 2000 Euro erleiden. Steigt jedoch der Preis jedes Jahr schon nur um ein Prozent, klettert der Wertzuwachs auf bereits ordentliche 86 Prozent oder immerhin gut 3,1 Prozent pro Jahr.
“Viele Kapitalanleger überschätzen das Potenzial künftiger Mietsteigerungen und unterschätzen die Instandhaltungskosten”, sagt Teske. Wer mit stark steigender Inflation rechnet, sich die derzeit rekordniedrigen Zinsen sichern will und mal eben ein paar 100 000 Euro Schulden aufnehmen möchte, ohne nennenswertes Eigenkapital einzusetzen, könnte am Ende schwer enttäuscht werden.
TEUER OHNE EIGENKAPITAL.
Zwar bieten einige wenige Geldhäuser auch Finanzierungen von Immobilien ganz ohne Eigenkapital an – die Commerzbank finanziert in Einzelfällen sogar bis zu 130 Prozent des Wertes der Kaufobjekte. Nur richten sich die Banken dabei nicht nach dem aufgerufenen Kaufpreis, sondern nach ihrem internen Schätzwert. Und der ist, zumindest in den Ballungszentren, wo die Preise schnell steigen, meist erheblich niedriger. Hinzu kommt, dass die Höhe der Zinsen sich neben der Bonität der Schuldner, der Laufzeit und dem Kaufpreis auch nach der Eigenkapitalquote richtet: Wer wenig oder gar kein eigenes Geld einsetzt, zahlt immer hohe Aufschläge.
Ein Lehrerehepaar aus dem Rheinland etwa, beide verbeamtet und ohne weitere Schulden, wollte eine Immobilie zur Kapitalanlage erwerben und zu 100 Prozent finanzieren: Das Drei-Parteien-Haus zwischen Köln und Düsseldorf sollte 740 000 Euro kosten, hatte aber nur einen internen Richtwert von 560 000 Euro bei der Bank. So wurde aus der geplanten 100-Prozent-Finanzierung eine 130-Prozent-Finanzierung. Die Zinsen dafür wären extrem hoch gewesen, das Paar stieg folgerichtig aus. “In Städten wie Düsseldorf, Hamburg oder München liegen die Immobilien-Richtwerte der Banken manchmal um 15 bis 25 Prozent, in extremen Fällen sogar um 40 Prozent unter den aktuellen Marktpreisen”, warnt Gawarecki von Dr. Klein. Die Gründe dafür: Banken arbeiten mit historischen Werten. Und von 2013 an werden strengere Regeln für die Kreditvergabe eingeführt. Danach müssen die Banken Kredite mit mehr Eigenkapital hinterlegen.
Zudem gibt es neue Kunden mehr als genug. Die Banken können es sich deshalb leisten, Anträge abzulehnen. “Die hohe Nachfrage nach Wohnimmobilien in guten Lagen und damit nach Hypothekenkrediten hält ungebremst an”, so Wiechern.
Den Schock über die in den vergangenen zwei Jahren teils drastisch gestiegenen Preise hätten die meisten Kaufwilligen inzwischen verdaut. “Da setzt ein gewisser Gewöhnungseffekt ein”, so Wiechern. Die Euro-Krise und die Inflationsangst aber verleiteten viele Kaufinteressenten dazu, ihre Vorhaben mit größerer Intensität zu verfolgen. -
»Niemand konnte wissen, dass es noch einmal günstigeres Geld gibt« »Die Zinsunterschiede sind stark zusammengeschrumpft « Die Banken orientieren sich an ihren eigenen Schätzwerten.
Schürmann, Christof
Hajek, Stefan
16.07.2012