Handelsblatt online vom 11.09.2015
Der Nerd und das Sparbuch
Sie gelten als Vorreiter der digitalen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft. Sogenannte ‘Digital Natives’, 18- bis 24-Jährige, die mit dem Internet aufgewachsen sind, und ‘Early Adopters’. Letztere sind Technikfans, meist im Alter bis Mitte dreißig, die neue Smartphones und Tablet-Computer als Statussymbole sehen und Online-Anwendungen für diese Geräte voller Begeisterung nutzen.
Vielen klassischen Filialbankern erscheint diese Zielgruppe suspekt. Denn nicht jeder Bankberater versteht vom Internet so viel wie die jungen Kunden. Eine Studie der Postbank gibt jetzt aber Entwarnung. ‘Trotz der vielfältigen Möglichkeiten, die das Internet bei der Beratung und der Anlage bietet, verhalten sich die digitalen Deutschen in Finanzfragen noch konservativer als die Gesamtbevölkerung’, erklärt Philip Laucks, Bereichsvorstand Direktbank bei der Postbank.
Die Befragung von 3.000 digitalen Vorreitern, die dem Handelsblatt vorab vorliegt, zeigt: 47 Prozent der onlineaffinen Zielgruppe besitzt ein Sparbuch. Das sind zwei Prozentpunkte mehr als in der Gesamtbevölkerung. Kein anderes Anlageprodukt erfreut sich ähnlicher Beliebtheit. Nur jeder Dritte Nerd hat – ähnlich wie alle Bundesbürger – ein Tagesgeldkonto und nur jeder Fünfte besitzt ein Festgeld-Konto. Die Aktionärsquote ist mit 15 Prozent erstaunlich niedrig.
Wie kann es sein, das Menschen, die im täglichen Nachrichtenstrom aus dem Netz leben und denen weltweit alle Informationsmöglichkeiten über Geldanlage offenstehen, auf das traditionsreichste deutsche Sparprodukt setzen? Wird das Sparbuch vielleicht zu Unrecht von vielen Geldprofis belächelt?
‘Sparbücher haben heutzutage eher einen emotionalen Wert, etwa als Geschenk für Kinder’, sagt Oliver Mihm, Vorstand der Unternehmensberatung Investors Marketing. ‘Im Vergleich zu flexibleren, zinsstärkeren Produkten wie Tagesgeld haben sie aktuell aber kaum eine Chance.’ Ein Vergleich der FMH Finanzberatung für Handelsblatt Online zeigt, welche Offerten die höchsten Zinsen bieten.
Welche Zinsen Sparbücher bringen
Die erste Erkenntnis: Das Durchschnitts-Sparbuch ist nicht empfehlenswert. Im FMH-Vergleich von 54 Banken liegt der Zins im Mittelwert nur bei 0,13 Prozent. Zum Vergleich: Tagesgelder rentieren derzeit im Schnitt mit 0,38 Prozent.
Dabei bieten Tagesgelder mehr Flexibilität. Im Gegensatz zu Sparbüchern lassen sich die Gelder jederzeit ohne Zinsverlust abheben. Bei Sparbüchern können Sparer ohne eine Kündigung des Anlageproduktes nur 2000 Euro pro Monat abheben. Wer komplett kündigen möchte, muss eine Frist von drei Monaten einhalten.
Wer diese Vorgaben nicht beachtet, muss einen Vorschusszins von 25 Prozent seines Guthabenzinses hinnehmen. Besonders schmerzhaft sind solche Einschnitte im Zinstief aber nicht. Bei einem Durchschnittszins von 0,13 Prozent würde der Zinsverlust nur gut 0,03 Prozentpunkte betragen.
Gänzlich abschreiben sollten Sparer das Traditionsprodukt aber nicht. ‘Es gibt auch kundenfreundliche Anbieter, die vergleichsweise ordentliche Zinsen zahlen’, sagt Max Herbst Inhaber der FMH Finanzberatung. Fünf von ihnen bieten im Vergleich Sätze von 0,5 Prozent oder mehr. Die VTB Direktbank bietet mit 0,75 Prozent am meisten. Der Internetanbieter mit Sitz in Österreich gehört zur VTB Gruppe, der zweitgrößten russischen Bank, die sich mehrheitlich im Besitz des russischen Staates befindet.
Bei Zahlungsproblemen haftet die österreichische Einlagensicherung. Wem das zu unsicher ist, kann einen Zins von 0,5 Prozent bei der BMW Bank, Merkur Bank oder Postbank ergattern. 0,6 Prozent bietet die regionale PSD Bank Koblenz. Die besten Offerten lassen sich individuell mit dem Sparbuch-Vergleich auf Handelsblatt Online ermitteln.
Ein Manko für Traditionalisten: Solche Hochzins-Sparbücher sind in der Regel reine Online-Konten. Kunden können ihre Ein- und Auszahlungen nicht in einer Filiale und oft nicht einmal telefonisch erledigen. Die Kontoauszüge gibt es per Post oder am Automaten, nicht per Nachtrag im klassischen Sparbuch. Ein Papierbüchlein, wie Nostalgiker es mögen, gibt es nicht mehr. Und selbst regionalen Banken mit einer Verzinsung von 0,05 Prozent verzichten ab und zu auf eine gedruckte Variante.
Haben die jungen Nerds vielleicht aus diesem Grund das Sparbuch als Lieblings-Investment für sich entdeckt? Eher unwahrscheinlich. Denn bei Geldgeschäften sind die Internetprofis generell erstaunlich konservativ. Laut Postbank-Studie erledigt nur ein Fünftel der Onliner seine Bankgeschäfte komplett im Internet. Die Quote weicht nicht vom deutschen Durchschnittsbürger ab. Ganze 38 Prozent der digitalen Generation geben einem Berater in der guten alten Bankfiliale vor Ort den Vorzug.
Die besten Sparbücher im Vergleich
Der Vergleich zeigt, welche Renditen Anleger mit Spareinlagen erzielen können, deren Kündigungsfrist drei Monate beträgt. Bis zu 2.000 Euro sind monatlich verfügbar.
/// Überregionale Anbieter // .
VTB Direktbank
BMW Bank (Online)
Merkur Bank
Postbank*
GEFA Bank
Greensill Bank
Santander Consumer Bank
Augsburger Aktienbank
Umweltbank
/// Regionale Anbieter // .
PSD Koblenz
PSD München
PSD Nord
PSD RheinNeckarSaar
PSD Rhein-Ruhr
PSD Nürnberg
PSD Köln
PSD Berlin-Brandenburg
Berliner Volksbank
Sparda-Bank Hessen
/// Mittelwert (54 Anbieter) // .
*SparCard Rendite plus direkt. Quelle: FMH-Finanzberatung. Stand: 07.09.2015
Sie gelten als Vorreiter der digitalen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft. Sogenannte ‘Digital Natives’, 18- bis 24-Jährige, die mit dem Internet aufgewachsen sind, und ‘Early Adopters’. Letztere sind Technikfans, meist im Alter bis Mitte dreißig, die neue Smartphones und Tablet-Computer als Statussymbole sehen und Online-Anwendungen für diese Geräte voller Begeisterung nutzen.
Vielen klassischen Filialbankern erscheint diese Zielgruppe suspekt. Denn nicht jeder Bankberater versteht vom Internet so viel wie die jungen Kunden. Eine Studie der Postbank gibt jetzt aber Entwarnung. ‘Trotz der vielfältigen Möglichkeiten, die das Internet bei der Beratung und der Anlage bietet, verhalten sich die digitalen Deutschen in Finanzfragen noch konservativer als die Gesamtbevölkerung’, erklärt Philip Laucks, Bereichsvorstand Direktbank bei der Postbank.
Die Befragung von 3.000 digitalen Vorreitern, die dem Handelsblatt vorab vorliegt, zeigt: 47 Prozent der onlineaffinen Zielgruppe besitzt ein Sparbuch. Das sind zwei Prozentpunkte mehr als in der Gesamtbevölkerung. Kein anderes Anlageprodukt erfreut sich ähnlicher Beliebtheit. Nur jeder Dritte Nerd hat – ähnlich wie alle Bundesbürger – ein Tagesgeldkonto und nur jeder Fünfte besitzt ein Festgeld-Konto. Die Aktionärsquote ist mit 15 Prozent erstaunlich niedrig.
Wie kann es sein, das Menschen, die im täglichen Nachrichtenstrom aus dem Netz leben und denen weltweit alle Informationsmöglichkeiten über Geldanlage offenstehen, auf das traditionsreichste deutsche Sparprodukt setzen? Wird das Sparbuch vielleicht zu Unrecht von vielen Geldprofis belächelt?
‘Sparbücher haben heutzutage eher einen emotionalen Wert, etwa als Geschenk für Kinder’, sagt Oliver Mihm, Vorstand der Unternehmensberatung Investors Marketing. ‘Im Vergleich zu flexibleren, zinsstärkeren Produkten wie Tagesgeld haben sie aktuell aber kaum eine Chance.’ Ein Vergleich der FMH Finanzberatung für Handelsblatt Online zeigt, welche Offerten die höchsten Zinsen bieten.
Welche Zinsen Sparbücher bringen
Die erste Erkenntnis: Das Durchschnitts-Sparbuch ist nicht empfehlenswert. Im FMH-Vergleich von 54 Banken liegt der Zins im Mittelwert nur bei 0,13 Prozent. Zum Vergleich: Tagesgelder rentieren derzeit im Schnitt mit 0,38 Prozent.
Dabei bieten Tagesgelder mehr Flexibilität. Im Gegensatz zu Sparbüchern lassen sich die Gelder jederzeit ohne Zinsverlust abheben. Bei Sparbüchern können Sparer ohne eine Kündigung des Anlageproduktes nur 2000 Euro pro Monat abheben. Wer komplett kündigen möchte, muss eine Frist von drei Monaten einhalten.
Wer diese Vorgaben nicht beachtet, muss einen Vorschusszins von 25 Prozent seines Guthabenzinses hinnehmen. Besonders schmerzhaft sind solche Einschnitte im Zinstief aber nicht. Bei einem Durchschnittszins von 0,13 Prozent würde der Zinsverlust nur gut 0,03 Prozentpunkte betragen.
Gänzlich abschreiben sollten Sparer das Traditionsprodukt aber nicht. ‘Es gibt auch kundenfreundliche Anbieter, die vergleichsweise ordentliche Zinsen zahlen’, sagt Max Herbst Inhaber der FMH Finanzberatung. Fünf von ihnen bieten im Vergleich Sätze von 0,5 Prozent oder mehr. Die VTB Direktbank bietet mit 0,75 Prozent am meisten. Der Internetanbieter mit Sitz in Österreich gehört zur VTB Gruppe, der zweitgrößten russischen Bank, die sich mehrheitlich im Besitz des russischen Staates befindet.
Bei Zahlungsproblemen haftet die österreichische Einlagensicherung. Wem das zu unsicher ist, kann einen Zins von 0,5 Prozent bei der BMW Bank, Merkur Bank oder Postbank ergattern. 0,6 Prozent bietet die regionale PSD Bank Koblenz. Die besten Offerten lassen sich individuell mit dem Sparbuch-Vergleich auf Handelsblatt Online ermitteln.
Ein Manko für Traditionalisten: Solche Hochzins-Sparbücher sind in der Regel reine Online-Konten. Kunden können ihre Ein- und Auszahlungen nicht in einer Filiale und oft nicht einmal telefonisch erledigen. Die Kontoauszüge gibt es per Post oder am Automaten, nicht per Nachtrag im klassischen Sparbuch. Ein Papierbüchlein, wie Nostalgiker es mögen, gibt es nicht mehr. Und selbst regionalen Banken mit einer Verzinsung von 0,05 Prozent verzichten ab und zu auf eine gedruckte Variante.
Haben die jungen Nerds vielleicht aus diesem Grund das Sparbuch als Lieblings-Investment für sich entdeckt? Eher unwahrscheinlich. Denn bei Geldgeschäften sind die Internetprofis generell erstaunlich konservativ. Laut Postbank-Studie erledigt nur ein Fünftel der Onliner seine Bankgeschäfte komplett im Internet. Die Quote weicht nicht vom deutschen Durchschnittsbürger ab. Ganze 38 Prozent der digitalen Generation geben einem Berater in der guten alten Bankfiliale vor Ort den Vorzug.
Die besten Sparbücher im Vergleich
TABELLE
Hagen, Jens