WirtschaftsWoche online 14.10.2016 um 08:10:45 Uhr
Girokonto-Vergleich
Lockruf der Luxus-Konten
Nach dem Gratis-Konto kommt das Luxus-Konto. Viele Banken bieten neue Premiummodelle gegen höhere Gebühren, gespickt mit jeder Menge Extras. Kunden müssen genau hinschauen, was sie wirklich brauchen. Die besten Angebote.
Die schlechte Nachricht zuerst: Die Zeit kostenloser Konten ist vorbei. Nicht, dass es gar keine kostenlosen Onlinekonten mehr gäbe und zuvor sämtliche Konten gebührenfrei zu haben gewesen wären. Doch der Trend geht zu steigenden Gebühren. Die Postbank hat das Eis mehr oder weniger gebrochen und lässt ihre Kunden nun sogar für das Onlinekonto zahlen. Auch die Direktbank DKB zieht nach und schränkt das kostenlose Geldabheben ein: DKB-Kunden mit weniger als 700 Euro Geldeingang im Monat zahlen ab Dezember 2017 fürs Geldabheben und den Karteneinsatz außerhalb der Eurozone jedes Mal 1,75 Prozent vom Umsatz.
In Deutschland und der EU bleiben diese Leistungen weiter kostenlos. In den Genuss des kostenlosen Geldabhebens überall auf der Welt kommen bei der DKB dann nur noch Kunden mit mindestens 700 Euro Geldeingang im Monat. Neukunden genießen diesen Vorteil immerhin ein Jahr lang unabhängig vom Geldeingang. Das dürfte vor allem Studenten abschrecken, die sich mit ihren überschaubaren Einkünften und häufigen Auslandsaufenthalten zuvor besonders gern für das globale Rundum-Sorglos-Paket der DKB entschieden haben.
Die vielen regionalen Sparkassen und Volksbanken drehen sowieso schon an den Gebührenschrauben. Zur guten Nachricht kommen wir später.
Erst mal aber geht es weiter mit schlechten Nachrichten. Beispiel Berliner Sparkasse: Sie verlangt neuerdings drei statt zwei Euro monatlich für ihr Onlinekonto – eine Preiserhöhung um 50 Prozent. Geringere Monatsgebühren gibt es zwar beim Konto ‘Giro Individual’ für nur einen Euro monatlich. Dieses Modell straft seine Nutzer jedoch mit einer Buchungsgebühr von 30 Cent, die bei jeder Gutschrift, jeder Lastschrift und jeder Kartenzahlung fällig wird. Die variablen Kosten machen den Vorteil des geringeren Fixpreises schon ab sieben Kontobewegungen im Monat zunichte.
Banken machen aus der Not eine Tugend
Wer die lästigen variablen Kosten für einzelne Transaktionen vermeiden will, muss bei der Berliner Sparkasse das Premiumkonto ‘Giro Pauschal’ wählen, wofür sieben Euro monatlich auf den Tisch zu legen sind. Dafür sind dann aber beliebig viele Überweisungen sowie die Sparkassenkarte inklusive. Eine komplizierte neue Welt.
Früher waren kostenlose Girokonten Marketingrenner, teils noch garniert mit üppigen Begrüßungsgeldern. Mit dieser Methode gewannen Banken neue Kunden, die nicht nur begehrte Einlagen ins Haus brachten, sondern auch lukratives Zusatzgeschäft versprachen. Dann kamen die immer niedrigeren Leitzinsen und schließlich negativen Einlagenzinsen der Zentralbank. Die neuen, schwer durchschaubaren Kontomodelle entspringen also keinem Sadismus der Finanzbranche gegenüber ihrer Kundschaft. Sie sind stattdessen der profanen Tatsache geschuldet, dass Banken kaum noch Geld verdienen.
Im aktuellen Umfeld werden Gratiskonten für Banken zur immer größeren Belastung.
Premiumkonto mit Amazon Prime
Und jetzt kommt die etwas bessere Nachricht: Banken machen nämlich aus der Not eine Tugend. Sie bringen neben den herkömmlichen Girokonten neue Kontomodelle mit wohlklingenden Namen auf den Markt. Premium, Exklusiv, Star, Komfort, Gold und wie sie alle heißen. Die Luxuskonten kosten Geld, bieten dafür aber viele Vorteile, etwa geringere Dispozinsen, kostenlose Zusatzkarten, Rabatte auf Reisebuchungen oder Interneteinkäufe und mehr. So rechtfertigen die Institute auch steigende Gebühren. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Die FMH Finanzberatung aus Frankfurt hat für die WirtschaftsWoche diese sogenannten Mehrwertkonten von bundesweit tätigen und regionalen Banken analysiert und aus dem Dschungel der Konditionen die besten Angebote herausgefiltert. Analysiert wurden vier bundesweite und neun regionale Banken.
So lockt die Commerzbank frisch gebackene Inhaber ihres Premiumkontos neuerdings mit einer 12-monatigen Mitgliedschaft für Amazon Prime. Die darin enthaltenen Turbolieferungen und das Filmstreaming wären bei dem Internetkaufhaus auf herkömmlichem Weg für 49 Euro im Jahr zu haben. Beim Commerzbank-Premiumkonto ist die Mitgliedschaft – jedenfalls im ersten Jahr der Nutzung – in der Gebühr von monatlich 9,90 enthalten. Nur wegen Amazon Prime ein Premiumkonto zu wählen, würde sich also nicht lohnen. Es kommt auf die Bewertung des Gesamtpakets an, zu dem im Fall der Commerzbank jeweils zwei kostenlose Giro- und Kreditkarten je Konto zählen.
Blick ins Kleingedruckte wird unvermeidbar
Die komplexen Konditionen erschweren den Vergleich der unterschiedlichen Angebote. Bankkunden bleibt nichts anderes übrig, als im Detail zu prüfen, welches Angebot am besten zu ihren persönlichen Bedürfnissen passt. Der tiefe Blick ins Kleingedruckte wird unvermeidbar. Wer etwa oft in die kreditkartenaffinen USA reist, den käme eine Mindestgebühr von 1,50 Euro für jeden Auslandseinsatz der Kreditkarte beim ‘Bestkonto’ der Deutschen Bank teuer zu stehen.
Und wer seinem Partner oder den Kindern unbedingt eine zweite Bankkarte zur Verfügung stellen will oder muss, für den verbietet sich wohl ein Angebot wie beim Goldkonto der Baden-Württembergischen BW Bank, bei dem jede zusätzliche Girokarte 50 Euro kostet. Dafür erstattet die BW Bank auf Reisen bis zu 40 Euro Taxikosten und stellt ihren Gold-Kunden vergünstigte Nahverkehrstickets zur Verfügung.
Sparen lässt sich mit zahlreichen Versicherungen
Fast alle Banken bieten ihren Premiumkunden günstigere Dispozinsen als Normalschuldnern. Besonders niedrige Überziehungszinsen gibt es für die Mehrwertkonten der Sparkassen. Die Sparkasse Leipzig hat für ihre Premiumkunden sogar einen zinsfreien Überziehungsrahmen bis 500 Euro vorgesehen. Wahrscheinlich sind negative Kontostände in der Kundengruppe, die sich Extrakonten leisten könnten, nicht so häufig anzutreffen. Das dürfte den Mehrwert in der Praxis für viele Nutzer relativieren. Sporadische und kurzfristige Überziehungen allein jedenfalls dürften die Gebühr für ein Spezialkonto nicht rechtfertigen.
Sparen lässt sich mit den zahlreichen Versicherungen, die bei den Mehrwertkonten dabei sind. Diese decken in vielen Fällen den Rücktritt oder Abbruch von Reisen ab, zahlen bei Krankheit oder Notfällen im Ausland oder beinhalten sogar Kfz-Schutzbriefe wie bei der HypoVereinsbank oder vielen Sparkassen. Auch hier steckt der Teufel im Detail: Bei vielen Banken greift der Versicherungsschutz nur, wenn die versicherte Leistung auch mit der zum Konto gehörenden Kreditkarte bezahlt wurde. In diesen Fällen hält sich der Zusatznutzen in Grenzen, denn Reiserücktrittsversicherungen sind auch bei vielen kontounabhängigen Kreditkarten enthalten. Kunden sollten vor Reiseantritt ihren Bankberater fragen, welche Risiken genau abgedeckt sind und unter welchen Voraussetzungen der Versicherungsschutz greift.
Die Attraktivität der Mehrwertkonten steigt in dem Maße, wie Banken bei den Standardkonten an der Gebührenschraube drehen und Geld für Transaktionen verlangen, die bei teureren Kontomodellen im Fixpreis enthalten sind. Das Beispiel der Berliner Sparkasse lässt grüßen. Es wird kein Einzelfall bleiben, schließlich können sich die Banken auf diesem Weg die Nachfrage nach den Gebührenkonten selbst schaffen, was die Entscheidungsfreiheit der Kunden einschränkt.
Und noch eine Einsicht in die neue Kontowelt ernüchtert: Als kostenneutraler Geldspeicher eignen sich die gebührenpflichtigen Premiummodelle auf keinen Fall. Ein Guthaben von 1000 Euro ist bei einer Monatsgebühr von zehn Euro schon nach etwas mehr als acht Jahren komplett aufgebraucht – selbst wenn man nie etwas abgebucht hat.
Update-Hinweis: Die neuen komplizierteren Konditionen der DKB am Anfang des Artikels haben wir in einer neuen Version wie unten stehend näher ausgeführt.
DKB-Kunden mit weniger als 700 Euro Geldeingang im Monat zahlen ab Dezember 2017 fürs Geldabheben und den Karteneinsatz außerhalb der Eurozone jedes Mal 1,75 Prozent vom Umsatz. In Deutschland und der EU bleiben diese Leistungen weiter kostenlos. In den Genuss des kostenlosen Geldabhebens überall auf der Welt kommen bei der DKB dann nur noch Kunden mit mindestens 700 Euro Geldeingang im Monat. Neukunden genießen diesen Vorteil immerhin ein Jahr lang unabhängig vom Geldeingang
Fehr, Mark