Grundsatzentscheidungen für die Baufinanzierung Die wichtigsten BGH-Urteile zur Vorfälligkeitsentschädigung
BGH, im Laufe der Jahre entschieden hat.
–– Wer ein Hypothekendarlehen unterschreibt, bindet sich meist über Jahre, ein vorzeitiger Ausstieg kann teuer werden. Allerdings lässt sich trefflich darüber streiten, welche Summen die Banken im Fall der Fälle als Vorfälligkeitsentschädigung verlangen dürfen. Wie das höchste deutsche Zivilgericht, derWer, wie die meisten Bauherren, ein Darlehen zur Baufinanzierung mit Sollzinsbindung abschließt, schreibt damit die Konditionen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bis zum Ablauf der Zinsbindung fest. Grundsätzlich ist das eine sinnvolle Sache. Die Sicherheit kann aber zum Bumerang werden – und zwar dann, wenn der Kunde den Kredit vorzeitig ablösen möchte. Entsteht der Bank dadurch ein Zinsschaden, hat sie Anspruch auf Schadenersatz.
Wann und in welcher Höhe diese sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung anfällt, ist aber nicht immer eindeutig. Eine wichtige Orientierung bieten dann die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH). Das höchste deutsche Zivilgericht hat sich in den vergangenen Jahren (seit 1997) immer wieder mit diesem Thema beschäftigt– und vielfach zugunsten der Kunden urteilte.
Eine Urteilsübersicht in chronologischer Reihenfolge.
Vorzeitiger Vertragsausstieg: Bank darf Kunden nicht behindern
(Az. XI ZR 267/96; XI ZR 197/96)
Eine Vorfälligkeitsentschädigung wird nur fällig, wenn Kunden vorzeitig aus dem Darlehensvertrag aussteigen. Doch wann ist das überhaupt möglich? Sind sie dabei auf das Entgegenkommen der Bank angewiesen? Oder haben sie einen Anspruch auf deren Zustimmung? Diese Frage beantworteten die Karlsruher Richter bereits im Jahr 1997.
Klare Aussage: Die Bank darf den Kunden bei seinem wirtschaftlichen Vorhaben nicht behindern. Im Wesentlichen gibt es zwei Konstellationen, in denen der Kunde die Zustimmung der Bank zu einem vorgezogenen Vertragsausstieg verlangen kann. Variante eins: Die Immobilie soll verkauft werden, und das Geschäft ist abhängig von der Ablösung des Kredits und der damit verbundenen Grundschuld zugunsten der Bank (Az. XI ZR 267/96). Variante zwei: Der Bauherr benötigt einen zusätzlichen Kredit, den aber nicht der aktuelle Geldgeber genehmigt, sondern der nur bei einem anderen Geldinstitut zu bekommen ist, und auch nur dann, wenn der Kunde das bestehende Darlehen ablösen kann (Az. XI ZR 197/96).
Und nur in diesen beiden Fällen gilt die Zustimmungspflicht des Geldgebers, die Vorfälligkeitsentschädigung fällt aber dennoch an.
Berechnung des Wiederanlagezinses (I): Aktiv-Passiv-Methode ist erlaubt
(Az.: XI ZR 27/00)
Im Jahr 2000 entschied der BGH: Eine Bank kann den Schaden, der ihr durch die Nichtabnahme oder die vorzeitige Ablösung eines Darlehens entsteht, nach der so genannten Aktiv-Aktiv oder der fast immer angewandten Aktiv-Passiv-Methode berechnen. Der finanzielle Nachteil ergibt sich aus der Differenz der zu zahlenden Zinsen des Darlehensnehmers und der Rendite, die sich bei einer laufzeitkongruenten Wiederanlage in sicheren Kapitalmarkttiteln ergäbe. Wichtig ist, dass die Bank als Wiederanlagezinsen nicht die Kapitalmarkttitel der öffentlichen Schuldner verwenden darf. Vielmehr muss sie die Renditen der Hypothekenpfandbriefe zugrunde legen, die etwas ertragreicher (und damit für den Kunden vorteilhafter) sind. Das nicht mehr relevante Ausfallrisiko wird mit einem prozentualen Abschlag berücksichtigt und die ersparten Verwaltungskosten werden als absolute monatliche Beträge in Ansatz gebracht.
Berechnung des Wiederanlagezinses (II): Pfandbriefrenditen sind der richtige Maßstab
(Az. XI ZR 285/03)
Eine weitere, aus Verbrauchersicht erfreuliche Entscheidung fällte der BGH im Jahr 2004. Im konkreten Fall stritten die Parteien darüber, auf welcher Basis der Wiederanlagewert der verbleibenden Darlehensvaluta zu berechnen ist. Die Bank kalkulierte mit den Renditen des sog. PEX-Index. Die Kreditnehmerin hingegen forderte eine Berechnung anhand der Monatsrenditen aus der Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank. Sie bekam Recht. Die Richter befanden: Da die Werte der Bundesbank aus tatsächlich gehandelten Pfandbriefen bestehen, und nicht, wie der PEX-Index aus 30 synthetischen Pfandbriefen, sei deren Verwendung vorzugswürdig. Die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung anhand der (Wiederanlage-)Renditen des PEX-Index hingegen würde der Bank ungerechtfertigte Vorteile einbringen.
Rauswurf durch die Bank: Keine Strafzahlung bei Eigenkündigung des Kreditinstituts
(Az. XI ZR 187/14, XI ZR 103/15)
Im Jahr 2016 schuf der BGH mit zwei gleichgelagerten Entscheidung Rechtssicherheit für jene Kunden, die unfreiwillig vor Ablauf der Zinsbindung ihren Vertrag verlieren. Das Gericht entschied: Kündigt die Bank den Kredit vor Ende der regulären Laufzeit, weil der Kunde seine Raten nicht ordnungsgemäß bedient hat und deshalb in Verzug ist, kann das Geldhaus keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen. Sie muss sich mit den vereinbarten Verzugszinsen begnügen, die meist etwas geringer sind als eine Entschädigungszahlung.
Restschuld: Sondertilgungsoptionen schmälern die Vorfälligkeitsentschädigung und können nicht begrenzt werden.
(Az XI ZR 388/14)
Räumt der Darlehensvertrag dem Kunden Jahr für Jahr ein bestimmtes Sondertilgungsrecht ein – zum Beispiel fünf Prozent der Darlehenssumme – muss die Bank bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unterstellen, dass er diese Option in Zukunft ausgeschöpft, auch wenn dies in der Vergangenheit nicht der Fall war. Anders ausgedrückt: Die Bank hatte bei Vertragsabschluss beim Zinsangebot schon unterstellt, dass der Kunde diese Option eventuell jährlich wahrnehmen würde. Daher sind auch Vertragsklauseln unwirksam, wonach die Sondertilgungsoption im Fall der vorzeitigen Darlehensrückzahlung verfällt.