Niedriger Leitzins und Negativzinsen Die schweren Nebenwirkungen der europäischen Zinspolitik
–– Noch verlangen Banken von privaten Anlegern zwar keine Negativzinsen – dennoch wird Sparen ein immer größeres Verlustgeschäft. Inzwischen können Kunden schon froh sein, wenn sie überhaupt noch ein Anlagekonto eröffnen dürfen.
Der Mann, der deutsche Sparer das Fürchten lehrt, heißt Mario Draghi. Der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) will die sieche europäische Wirtschaft wieder aufpäppeln – und greift dafür vor allem den Banken im Süden der EU kräftig unter die Arme. Die Nebenwirkungen sind immens.
Nicht nur, dass der Leitzins in der Eurozone auf dem historischen Tief von 0,05 Prozent liegt und Sparern die Tränen in die Augen treibt: Mit der jüngsten Zinssenkung hat die Zentralbank auch noch einen Negativzins in Höhe von 0,2 Prozent auf Einlagen festgesetzt. Mit anderen Worten: Banken, die ihr Geld bei der EZB parken, statt durch die Vergabe von Darlehen die Wirtschaft anzukurbeln, müssen dafür eine Strafgebühr zahlen. Der gewünschte Effekt zeigt sich bereits: Banken sprechen neben der üblichen Ratenkreditwerbung bereits intensiv Bestandskunden an, ob sie nicht Bedarf an einem Konsumentenkredit haben.
Das Leid der Sparer
Draghis drastische Maßnahmen haben jedoch auch unerwünschte Nebenwirkungen. Bislang betonten die meisten Geldhäuser zwar, zumindest Kleinanlegern keine Negativ-Zinsen für Anlagen auf Sparbüchern, Fest- und Tagesgeldkonten abzuverlangen. Dafür nutzen die Institute aber andere andere Mittel, um ihre Belastungen an die Kunden weiterzugeben.
- Variante eins: Sie senken die ohnehin schon mickerigen Zinsen auf ein geradezu homöopathisches Maß. Beispiele dafür gibt es reichlich: Kunden der HypoVereinsbank etwa erhalten auf Spareinlagen kaum noch messbare 0,01 Prozent pro Jahr; gleiches gilt für Anleger, die ihr Geld auf Sparbüchern der Sparkasse Augsburg oder der Sparda-Bank Berlin geparkt haben. Insgesamt weisen 34 von 55 Sparbuchkonten in der FMH-Sparbuchtabelle 0,1 Prozent und weniger an Zinsen aus. 19 Konten liegen bei 0,05 Prozent und weniger. Auch beim Tagesgeld werden 15 Angebote von 74 Angeboten bereits mit 0,10 Prozent und weniger verzinst. Die Sparda-Bank Berlin belohnt die Sparer mit gerade einmal 0,01 Prozent, ungeachtet des Anlagebetrages. Und selbst beim Festgeld sieht es kaum besser aus: Bei einer einjährigen Anlage erhalten Kunden im Schnitt nur noch 0,46 Prozent – der niedrigste Satz liegt bei 0,05 Prozent pro Jahr.</br></br>
- Variante zwei: Sie dünnen ihr Angebot aus oder nehmen bestimmte Produkte einfach vom Markt. Auch so lässt sich verhindern, dass Kunden mit ihrem Geld zu ihnen kommen. Wer zum Beispiel bei der Postbank ein Festgeldkonto eröffnen möchte, hat Pech gehabt – es gibt nämlich keines mehr. Auch die Volkswagen-Bank verzichtet inzwischen darauf, Kunden aktiv ein Festgeld-Konto bis 12 Monate Laufzeit zu offerieren. Bei der BMW Bank ist eine feste Geldanlage nur noch ab einer Laufzeit von mindestens zwei Monaten möglich, bei der Credit Europe Bank müssen sich Kunden sogar für ein Jahr oder länger festlegen, um ein Festgeldkonto zu bekommen.</br></br>
- Variante drei: Sie langen dort zu, wo es sich lohnt – zum Beispiel bei Firmenkunden. Der Düsseldorfer Energieversorger E.on und die Lufthansa haben Medienberichten zufolge bereits Post von ihrer Bank bekommen, wonach die Weitergabe der Negativzinsen möglich ist. Denkbar ist zudem, dass einige Geldhäuser diese Praxis auf besonders vermögende Privatpersonen ausdehnen. Bis zu einer Sparsumme von etwa 100.000 Euro dürften Kleinanleger aber bis auf weiteres von Strafzahlungen auf ihr Erspartes verschont bleiben.