Angst vor Negativzinsen Wenn Girokonten Geld verbrennen
–– Immer mehr Banken verlangen Strafzinsen für Guthaben. Auch auf dem Girokonto. Noch ist es zwar recht einfach, diese durch einen Kontowechsel zu vermeiden. Die Nebenwirkungen eines solchen Schritts sind aber nicht zu unterschätzen
Der Mensch gewöhnt sich an alles. Auch an Strafzinsen auf dem Girokonto . Viele Banken verlangen ihren Kunden inzwischen eine solche Parkgebühr für Guthaben ab. Und ihre Zahl wird noch steigen. Aktuell jedenfalls macht die Europäische Zentralbank (EZB) keine Anstalten, die Minuszinsen für Banken zu reduzieren oder gar zu streichen Es verwundert daher wenig, dass die Geldhäuser vermehrt dazu übergehen, die eigene Belastung an die Kunden weiterzugeben.
Allerdings ist das nicht die einzige Einnahmequelle, die die Institute nutzen. Zusätzlich spülen auch Kontoführungsgebühren und Serviceentgelte Geld in die Kasse der Banken wie unsere regelmäßigen Auswertungen beweisen.
Wo wirklich alles etwas kostet
Ganz oben auf die aktuellen Negativ-Liste der FMH schaffen es die VR-Bank Neu-Ulm und die Bayerische BodenseeBank. Sie verlangen ab dem ersten Euro 0,50 Prozent Minuszinsen von ihren Kunden. Damit zahlen Kontobesitzer in jedem Fall: Wer in den Miesen ist, führt Dispozinsen ab, wer über Guthaben verfügt, zahlt Strafzinsen.
Vier Banken in unserer Liste berechnen Strafzinsen zumindest erst für Beträge von mehr als 5.000 Euro. Für die meisten Kunden dürfte das als Rücklage für Unvorhergesehenes zwar reichen, dennoch ist der Freibetrag recht karg bemessen.
Bei 21 Banken in der Auswertung liegt die strafzinsfreie Summe immerhin bei 10.000 Euro. Bei den restlichen 220 Banken fallen Strafzinsen erst ab Beträgen zwischen 20 0000 Euro und 500 000 Euro an. Dieser Betrag sollte für jedermann als Rücklage für Unvorhergesehenes ausreichen.
Zusätzlich fallen bei den meisten Banken noch Kontoführungsgebühren und weitere Entgelte für die Kontonutzung an, etwa beim Geldziehen am Automaten oder selbst für das Ausdrucken von Kontoauszügen.
Das große Geld wird anderswo verdient
Angesichts der extrem unterschiedlichen Konditionen muss man sich schon fragen, ob die Banken die Negativzinsen wirklich nur an ihre Kunden „durchreichen“, oder ob es nicht auch Anbieter gibt, die in Sachen Girokonto eine andere Agenda verfolgen.
Nicht zu leugnen ist zunächst, dass viele die aktuelle Geldpolitik der EZB dazu nutzen, um mit Girokonten wieder Geld zu verdienen – denn das wirklich kostenlose Girokonto ist Geschichte.
Etliche Banken sehen das Girokonto aber auch als Hebel, um Kunden anzulocken. Ein Girokonto mit attraktiven Konditionen – allerdings nur wenn er verschiedene andere Produkte abschließt – ist dafür ein guter Köder. Ist ein Kunde erst einmal an Bord, stehen die Chancen gut, dass er bei seiner neuen Hausbank auch noch ein Depot eröffnet, Versicherungen und Altersversorgungs-Verträge abschließt, einen Bausparvertrag unterschreibt und vielleicht auch noch Kredite in Anspruch nimmt.
Die Kosten-Nutzen-Rechnung für die Bank beim Hausbank-Kunden fällt daher meist bestens aus: Zwar schenkt sie dem Kunden die Kontoführungsgebühr fürs Girokonto, gewährt ihm einen verbilligten Dispozins (den er meist nicht braucht) und verzichtet auf Strafzinsen. Dafür aber steckt sich das Geldhaus eine Menge Provisionen ein oder bekommt, je nach vermitteltem Produkt, sogar noch eine jährliche Vergütung.
Diese Geschäftspraxis spiegelt sich eindeutig in den Bilanzen der Banken wider. Hier finden sich inzwischen deutlich sinkende Zinsgewinne aber stark steigende Provisionseinnahmen. Das Girokonto ist dabei das Ticket zum Kunden, mit dem man in Zeiten von Negativzinsen richtig Geld verdienen kann.
Sparmodelle mit Nebenwirkungen
Dass eine Bank gute Geschäfte machen will, ist erst einmal nicht verwerflich. Ebenso ist es verständlich, dass Kunden keine Negativzinsen und Kontoführungsgebühren zahlen möchten. Wer jedoch mit dem Gedanken spielt, der eigenen Bank den Rücken zu kehren und zu einer Bank zu wechseln, die ein günstiges Girokonto ohne Strafzinsen bietet, sollte wissen, dass seine neue Hausbank ihm vermutlich aller Voraussicht nach weitere Finanzprodukte verkaufen will – und das nicht immer zu den besten Konditionen.
Anders ausgedrückt: Nur weil eine Bank auf Negativzinsen und Kontoführungsgebühren verzichtet, wenn ein Kunde als Hausbank-Kunde geführt wird, bedeutet das nicht automatisch, dass sie auch die besten Depots, Bausparverträge oder Versicherungen verkauft. Kunden sollten daher in jedem Fall saubere und unabhängige Angebotsvergleiche nutzen und nachrechnen, ob die Ersparnis bei wirklich guten Angeboten nicht größer ist, als die „all in one“ Angebote seiner Bank. Auf diese Weise lässt sich in der Regel deutlich mehr sparen, also durch ein neues Girokonto, das auf Negativzinsen verzichtet.