Statistik: Immer mehr Privatkredite bonitätsabhängig Vorbei die Zeit der Billigkredite? Was Endverbraucher jetzt wissen müssen.
–– Immer mehr Banken wechseln von bonitätsunabhängigen Anboten zu bonitätsabhängigen – oder lagern das Privatkreditgeschäft direkt an Tochterunternehmen aus. Gleichzeitig steigen aktuell die Zinsen. Was das für Endverbraucher bedeutet und mit welchen Trends in den nächsten Monaten zu rechnen ist.
Kredite gehen immer, könnte man salopp sagen – ein Geschäft, das gleichbleibend und fast krisenunabhängig läuft. In diesem Jahr könnte der Bedarf an Privatkrediten vielleicht sogar noch höher ausfallen. Ein Trend dazu lässt sich aus den aktuellen Nutzerzahlen in unseren Vergleichen zwar nicht ableiten, doch die Folgen des Lockdowns dürften in viele private Taschen Löcher reißen.
Diese Befürchtung scheinen auch Banken zu haben, denn die Ratenkreditzinsen steigen seit einigen Wochen. Dafür gibt es keinen ersichtlichen Grund, da die Ratenkreditzinsen nicht von Marktbewegungen abhängig sind: Sie setzen sich aus den Refinanzierungskosten, den Kosten für die Risikovorsorge, aus der Marge und den Abwicklungskosten zusammen. Die Nachfrage ist nicht wirklich höher als in den Vorjahren und saisonale Schwankung (Frühjahrsaktionen) wiederholen sich, wie ein Vergleich mit den Vorjahren zeigt.
Dennoch steigen die Zinsen momentan. An den Abwicklungskosten kann es nicht liegen, da Privatkredite dank Digitalisierung immer automatisierter abgewickelt werden und somit auch immer weniger Kosten verursachen. Auch die Refinanzierung ist dank voller Sparanlagen gesichert. Es kann also nur um eine Risikovorsorge gehen, um mögliche Zahlungsausfälle vorbeugend abzupuffern. Oder anders: Alle Kredite werden teurer, um den möglichen Zahlungsausfall einiger weniger in Zukunft abzusichern.
Immer mehr bonitätsabhängige Privatkredite
Doch nicht nur über die Kreditzinsen wird die Risikovorsorge und die Erhöhung der Bankenmarge geregelt. Deutlich mehr Marge steckt nämlich in den bonitätsabhängigen Zinsen: Hier sind Zinsspannen von 1,99 bis 8,49 % möglich – im Marketing kommuniziert wird selbstverständlich nur der Spitzenzins, während der sogenannte Zweidrittelzins* im Kleingedruckten versteckt wird. Der Kunde merkt oft nicht einmal, dass er einen anderen Zins bekommt als beworben, ihn interessiert ohnehin meist nur, ob er den Kredit überhaupt bekommt.
Denn während Kunden ihre eigene Bonität oft mit sehr gut oder gut bewerten, haben Banken ganz andere Scoring-Grundlagen. Wer beste Bonität hat, braucht eigentlich keinen Kredit. Um es überspitzt mit den Worten von Max Herbst (Geschäftsführer FMH) auszudrücken: „Die beste Bonität verliert man im Grunde genommen schon, sobald man eine Kreditanfrage über 1.000 Euro stellt, um ein Minuszinsangebot zu ergattern.“ Dafür spricht auch, dass die Konditionen für „mittlere Bonität“ bei den meisten Anbietern mit denen des Zweidrittelzins übereinstimmen. Das heißt, den Großteil ihrer Kunden sehen Banken mit mittlerer Bonität.
Da die Margen bei den bonitätsabhängigen Krediten deutlich höher und auch flexibler skalierbar sind, gehen immer mehr Banken dazu über, von bonitätsunabhängigen Angeboten zu bonitätsabhängigen zu wechseln. In unserem Vergleichsrechner finden sich noch 23 Angebote, 2018 waren es noch 32 Angebote, die Ratenkrediten unabhängig von der Bonitätseinstufung vergeben hatten.
Was bedeutet das für den Endverbraucher?
Es bedeutet vor allem, dass Kreditzinsen undurchsichtiger werden und gute Vergleiche wichtiger sind denn je. In der Werbung – und leider auch vielen so genannten Vergleichsportalen – heißt es „ab 1,99 Prozent!“. Die Präposition wird jedoch gern überlesen, während der Zins gesehen und das Angebot in Vergleichen ganz oben gelistet wird. Deshalb hat es der Gesetzgeber auch so eingerichtet, dass Banken bei bonitätsabhängigen Angeboten immer auch den sogenannten Zweidrittelzins kommunizieren müssen, also den Zins, den mindestens zwei Drittel der Kunden realistisch erhalten würden. Das Problem: Das Interesse des Endverbrauchers an diesem Begriff ist gering – vielleicht ist er auch nie im Bewusstsein angelangt, da er von den Anbietern selbst nicht lautstark kommuniziert wird.
Dass für die grundsätzliche Vergabe von Privatkrediten durch die COVID-19-Pandemie etwas ändert, ist dagegen nicht zu befürchten. An den Basisvoraussetzungen: Festes Einkommen, Schufa-Auskunft okay und genügend finanzielle Liquidität ändert sich durch Pandemie und Lockdown schließlich nichts. Doch gerade Kunden mit schlechter bewerteter Bonität werden Kredite zukünftig teurer bezahlen. Das ist finanziell allerdings zu verschmerzen: Für einen Kredit über 10.000 Euro und 36 Monaten Laufzeit werden beim günstigsten Anbieter mit einer guten Bonität 1,98 % fällig, das entspricht einer monatlichen Rate von 286,04 €. Bei mittlerer Bonität kostet der Kredit günstigstenfalls 2,43 %, was eine monatliche Rate von 287,91 € bedeutet. Kein großer Unterschied. Auch auf die gesamte Laufzeit gesehen sprechen wir hier von knapp 100 Euro Mehrkosten.
Wichtiger ist für Endverbraucher, die Anbieter selbst zu vergleichen. Dafür ist ein transparenter Vergleich nötig, der alle Konditionen offenlegt. So können Verbraucher wie in unseren Rechner leicht erkennen, dass der 10.000 Euro-Kredit bei mittlerer Bonität auf die gesamte Laufzeit gesehen je nach Anbieter 600 Euro mehr oder weniger kosten kann. Und das sind Summen, die bereits weh tun und leicht zu vermeiden sind.
*Zweidrittelzins: Zins, den mindestens zwei Drittel der Kunden realistisch bekommen würden