Warum Sparer von den steigenden Anlagezinsen (noch) wenig profitieren Inflation und Leitzins-Erhöhungen
–– Teure Kredite, steigende Zinsen: Eigentlich sind dies gute Voraussetzungen für Anleger, die auf Tages- und Festgeld setzen. Dennoch gibt es momentan nur wenig Grund zur Freude. Schuld ist, einmal mehr, die Inflation.
Zeitenwenden gibt es dieser Tage fast am laufenden Band. Baukredite, die lange fast zum Nulltarif zu haben waren, sind plötzlich unerschwinglich. Geldanlagen, für die bis vor Kurzem noch Strafzinsen erhoben wurden, werfen plötzlich wieder Rendite ab. Und auch, wer bereits Schulden hat, der kann sich freuen. Rein rechnerisch werden die durch die Inflation getilgt – zumindest, solange die Zinsen geringer sind als die Teuerungsrate.
In der Praxis ist das Ergebnis zwar meist nicht ganz so rosig, da auch die Waren und Dienstleistungen teuerer werden und etwaige Lohnerhöhungen die Preisschübe meist nicht ausgleichen können.
Und auch die Freude der Sparer ist keineswegs ungetrübt. Denn auch wenn die Zinsen steigen: Die Diskrepanz zwischen Zinserträgen und Inflation spüren sie oft noch deutlicher als Kreditnehmer.
Wenn der Preis den Zinsen davonläuft
Ein Beispiel: Ein Sportler (zumindest ein aktiver Mensch) liebäugelt mit dem Kauf eines neuen E-Bikes. Aktueller Preis: 5.000 Euro. Da sein altes Fahrrad aber noch gut ist, verschiebt er den Kauf jedoch aufs nächste Jahr.
Unterstellt man nun im Jahresdurchschnitt acht Prozent Inflation, dann kostet das E-Bike zu diesem Zeitpunkt dann bereits 5.400 Euro. Unser Sportler will diese Preissteigerung ausgleichen und legt die 5.000 Euro auf das bestverzinste Festgeldkonto, dass es laut FMH-Festgeldvergleich derzeit gibt.
Grundsätzlich eine gute Idee: Da es aber selbst beim aktuellen Branchenprimus Weltsparen „nur“ 2,5 Prozent Zinsen gibt, hat unser Sportler zum anvisierten Kauftermin nur 5.125 Euro auf dem Konto – er muss also entweder aufstocken oder auf sein neues Sportgerät verzichten.
Bis die Zinsen beim Festgeld oder Tagesgeld auch nur annähernd an die Inflationsrate heranreichen, werden noch viele Monate, vielleicht sogar Jahre vergehen. Sparer sollten ihr Geld daher nicht zu lange festlegen. Unsere Empfehlung lautet: Mit dem besten Festgeld für sechs oder zwölf Monate die ersten Zinserhöhungsphasen abwarten und dann neu entscheiden. Nutzen Sie unseren Festgeldvergleich, um das beste Festgeldangebot zu finden.
Hoffen auf die nächste Zinserhöhung
Unser Sportler dürfte daher – wie jeder andere Sparer auch – auf weitere EZB-Leitzinserhöhungen spekulieren. Dadurch würden nämlich auch die Anlagezinsen noch einmal anziehen. Einmal beim Tagesgeld, vor allem aber beim Festgeld. Der Grund: Banken nutzen dann das Geld der Anleger, um ihre Kredite an andere Kunden zu refinanzieren. Dass sie dabei lieber auf Spargelder zurückgreifen, als die EZB anzupumpen, liegt auf der Hand: Die EZB will, einfach ausgedrückt, 1,25 Prozent und die Banken müssen zudem noch Sicherheiten hinterlegen. So können sie besser das nicht üppig verzinste Festgeld der Sparer nutzen, um anderen Kunden (höher verzinste) Ratenkredite einzuräumen. Die Ratenkreditnehmer zahlen dann also nicht nur die höheren Festgeldzinsen der Sparer, sondern sichern den Bankern auch noch ihre Marge, inklusive Risikopuffer für schlechte Kreditverläufe der Kunden.
Im Ergebnis verbessert also jede Leitzinserhöhung die Möglichkeit der Banken, Tagesgeld und Festgeld besser zu verzinsen. Ganz einfach, weil Kreditkunden dann ebenfalls höhere Zinsen bezahlen und so das Geschäft damit (mehr als) refinanzieren: Vergleicht man etwa die Festgeldzinsen für fünf Jahre und Ratenkreditzinsen für denselben Zeitraum, dann beträgt der durchschnittliche Differenzwert stolze 3,65 Prozent.
Wie die Inflation die Bauzinsen beeinflusst
Etwas anders sieht es bei den Bauzinsen aus. Sie werden zwar auch von der Inflation beeinflusst. Der ausschlaggebende Faktor hier sind allerdings nicht die EZB-Leitzinsen, sondern die Renditen der deutschen Staatsanleihen. Je höher die Inflation, desto mehr Zinsen erwartet auch der Investor vom deutschen Staat, wenn er ihm Geld leiht. Die Bundesanleihe gehört zwar zu den sichersten Geldanlagen weltweit, aber zwischenzeitlich wollen Anleger auch hier Renditen sehen. Coronakrise, Rekordschulden, der Krieg in der Ukraine und nun auch noch die massiven Teuerungsschübe haben auch in diesem Bereich für eine Zeitenwende gesorgt und die Investoren fragen (zu Recht), ob sie sich mit 2,5 Prozent vom deutschen Staat zufrieden sein sollten. Steigende Renditen bei den Staatsanleihen ziehen aber stets auch die Zinsen bei den Pfandbriefen nach oben – und das treibt am Ende auch die Bauzinsen.
Was bis vor kurzem undenkbar schien, rückt damit in den Bereich des Möglichen: 4,5 Prozent Zinsen bei einer Festschreibung von zehn Jahren. Bei einer Finanzierung von 80 Prozent des Kaufpreises haben wir aktuell schon einen Mittelwert von 4,33 Prozent und die teuerste Bank in der FMH-Datenbank will für dieses Beispiel schon 4,98 Prozent.
Unsere Prognose von Juni dieses Jahres hat sich damit schon mehr als erfüllt – und die Zeit der Zeitenwenden ist vermutlich noch lange nicht vorbei.